Wir haben eine unserer eigenen Kolumnen durch den Mixer gejagt und das hier ist dabei rausgekommen:

Wart ihr in letzter Zeit mal bei einem 60-Teilnehmer-Dorf-Triathlon? So einem richtigen Wald-und-Wiesen-Wettkampf mit selbstgemalten Startnummern, Wechselzone hinter dem Schuppen der freiwilligen Feuerwehr und einer selbstgemachten Mettwurst als Siegprämie?! Früher sah man dort vor allem Hollandräder mit Körbchen am Lenker und 1,5-Liter-Flasche auf dem Gepäckträger oder 80er-Jahre Material mit 26er Vorder- und 28er Hinterradrad und Anbauteilen in knalligsten Neonfarben. War der Wettkampf doch etwas urbaner, so durften es gerne auch einige der roten DB-Leihräder sein, die jeweils ungefähr 27kg auf die Waage bringen und bei denen man das Licht nicht ausschalten kann. Der überhebliche Triathlon-Proll nennt es schlicht „Gurkenmaterial“…

Seit kurzem zeichnet sich aber endlich ein Trend ab, den wir vollumfänglich unterstützen: Die Rookie-Aufrüstung! Wer will denn am Material bitte schon als Anfänger erkannt werden? Man sieht vollausgestattete High-Tech-Bikes mit allem Zip(p) und Zap: Natürlich Carbonrahmen (gibt es eigentlich noch Alurahmen?!), -lenker und -flaschenhalter, Aeromütze und Di2 dürfen nicht fehlen, dazu Wattmessgerät, Q-Rings, Hochprofilfelge vorne und Scheibe hinten! Klar, ohne sieht doch scheiße aus! Außerdem hängt einen der Erntehelfer von Bauer Hartwich sonst direkt schon hinten beim Kiosk ab!

Am Schwimmstart angekommen sieht man so gut wie niemanden mehr in Badehose. Neopren ist das Zauberwort! Ein Neo macht schnell, das weiß jedes Kind! Je hochpreisiger das Modell, desto mehr Auftrieb und mehr Auftrieb heißt schneller Schwimmen – so ist es doch überall zu lesen! Egal wie kurz die Strecke und wie lange man braucht, den Adoniskörper nach 500 überlebten Metern Brustschwimmen aus der Pelle rauszuschälen. „Früher“ hat man sich das alte Rennrad vom Nachbarn geliehen und damit seine ersten Triathlonversuche gemacht. Man hat den alten „Shorty“ vom Wasserskifahren aus dem Keller gekramt oder gar einen vom Surfen, aber das ist doch absolut 90iger!

Das Motto der Neuzeit lautet: Carbon statt Kondition! Warum soll man sich mit mittelmäßigem Material rumärgern, wenn es mit geilstem Neo und zornigstem Carbonhobel auch direkt doppelt so schnell geht? Also wird der vollausgestattete Profirenner in die Wechselzone geschoben (und dabei aus Versehen fast demoliert, als der Schützenkönig zum Gruße herbeieilt, man den Ständer an dem Geschoss nicht schnell genug findet und ihn deshalb kurzerhand gegen Manfreds heißen Schwenkgrill lehnt) und sich anschließend in seinen High-End-Neoprenanzug der Spitzenklasse gezwängt mit dem Wissen, dass es die Nano-Beschichtung und das hochflexible Front-Panel schon richten werden. Und sein wir mal ehrlich: Die 11.283,50 EUR haben sich direkt amortisiert, wenn man die ängstlichen, obgleich anerkennenden Blicke von Günni und Martin von der Post und Peter vom Hansano-Milchlaster auf der schwarzen Neoprenhaut spürt.

Hart trainieren war gestern! Heute orientiert man sich an den vom Bundesgesundheitsministerium empfohlenen 3 x 30 Minuten Sport pro Woche und setzt auf die beste Ausrüstung! Quasi Intervalltraining im 7-Tage-Maßstab mit materialwissenschaftlicher Unterstützung!

Der Moment des Outings stellt sich spätestens dann ein, wenn man als letzter aus dem Löschwasserteich klettert und mit Schwimmbrille, aber dafür ohne Helm auf sein Rad springt und sich bei dem Versuch, in die notdürftig mit Einmachgummibändern von Oma an den Pedalen befestigten Laufschuhe zu steigen, direkt vor die Feuerwehrkapelle mault!

In diesem Sinne, wir sehen uns beim Shoppen!

Bundeskassner

Ulli ist typischer Triathlet: Kann alles ein wenig, aber nichts richtig! Deshalb lehnt er sich am liebsten mit einem Käffchen zurück und lästert.